Zilken-Handdruckspritzenmodell, Baujahr 1837
Oder: Der Besuch der alten Dame

Bei geschickter Inszenierung muss man fast schon
zweimal hinsehen, um zu erkennen, dass es sich um
ein Modell handelt!

Beinahe klingt die Geschichte ein wenig nach einem Märchen, doch mitunter werden Märchen wahr. Dieses beginnt folgendermaßen: Es war einmal im Herbst 2004. Nachdenklich und mit ein bißchen Wehmut blickt eine alte Dame in ihrer Wohnung auf das uralte Modell einer Handdruckspritze, die sie seit Kindertagen wie einen Schatz gehütet hat. Sie ist die letzte Nachfahrin einer Fabrikantenfamilie, deren Namen einstmals bekannt war unter "Maschinenfabrik Gebr. Zilken in Coblenz". Wie dieses kostbare und absolut einmalige Exponat schließlich seine neue Bleibe im DFM fand, und was bei den Recherchen zu ihrer längst verschwundenen Produktionsfirma zu Tage gefördert werden konnte, ist im folgenden nachzulesen.

Im Jahr 1828 hatten Johann Peter und Johann Michael Zilken eine kleine Firma gegründet und zeigten am 17. März des darauf folgenden Jahres im "Coblenzer Anzeiger" an:

"Die Unterzeichneten machen einem verehrlichen Publikum ergebenst bekannt, daß sie alle Arten Tischleuchter, Krahnen, Mörser, Büchsen in Wagenräder sowohl von Gußmessing als auch von geschlagenem Messing und Kupfer, sodann Kirchenleuchter und Lampen; alle Gattungen Kochgeräthe, Verziehrungen aller Art; ferner Bier-, Brantwein- und Färbekessel, Spritzen, Pumpen und alle Militärgegenstände von Messing, um sehr billige Preise verfertigen, und bitten, indem sie jedermann durch die vorzüglichste Arbeit zu befriedigen suchen, um geneigten Zuspruch. Es kann zugleich bei uns ein wohlerzogener junger Mensch als Gelbgießer und Kupfer-Arbeiter, in die Lehre genommen werden. Gebrüder Zilken, Gelbgießer und Kupferarbeiter wohnhaft in der Castorstraße Nro. 357."

Schon bald gründete sich in Koblenz auch ein Gewerbe-Verein, der im Oktober 1837 in der Aula des "Königlich Preußischen Gymnasiums" "die erste Ausstellung von Erzeugnissen des einheimischen Gewerbefleisses" ausrichtete. Die "Blechfabrik" - wie die Firma der Gebr. Zilken mittlerweile im Volksmund genannt wurde - beteiligte sich mit dem Modell einer Handdruckspritze im Maßstab von ungefähr 1:5, das sogar richtig spritzen kann. Vor den gestrengen Augen einer Kommission muss das kleine Gerät seine Leistungsfähigkeit beweisen. Der Schreiber protokolliert:

Funktionsfähiges Modell der Zilken-Handdruckspritze

Funktionsfähiges Modell der Zilken-Handdruckspritze

"Die Modellspritze der Gebrüder Zilken leistete viel für ihre Größe, indem sie 7 Quart Wasser in einer Minute auf 30 Fuß Höhe warf. Allein der Zweck dieses Modells scheint ein verfehlter, indem es nicht genau verkleinert ist; die Verfertiger suchen den Vorzug dieser Spritze in einer neuen Construction von Ventilen, da dieselben jedoch den Commissarien nicht zugänglich waren, so vermeiden sie sich darüber zu äußern, ohne jedoch zu bezweifeln, daß man mit der gewöhnlichen Construction nicht Dasselbe leisten könne. Der Preiß schien der Arbeit nicht entsprechend."

Neider gab es offenbar schon immer, denn viele Gemeinden im ganzen Land waren anderer Meinung und bestellten über viele Jahrzehnte bei den Gebrüdern Zilken Spritzen unterschiedlicher Größe zur Verbesserung des Schutzes vor Feuersgefahr.

"von Gebrüder Zilken in Coblenz 1837." hatten die Firmengründer voller Stolz in goldenen Buchstaben, hervorgehoben durch schwarzen Schattenstrich, auf ihrem Modell verewigt. Wir wissen nicht, wie lange, wie oft und wo überall dieses Modell ausgestellt und vorgeführt worden ist. Die alte Dame erinnert sich, dass es nach den Erzählungen ihrer Eltern schon über mehrere Generationen der Familie als Kinderspielzeug gedient hat. Allzu ungestüm scheinen die Zilken-Kinder jedoch nicht gewesen zu sein oder zumindest doch vom Kindermädchen gut beaufsichtigt, denn die kleine Spritze steht heute noch fast so da, als hätte sie eben die Werkstatt verlassen.

Da die alte Dame selbst keine Kinder hat, vertraut sie das Modell einem älteren Freund der Familie an, der es wenige Tage später auf der Rückbank seines Autos nach Koblenz fährt und dort beim Leiter der Landesfeuerwehrschule Rheinland-Pfalz, dem Leitenden Branddirektor Hanno Ritterbusch, nach einem würdigen Aufbewahrungsort für das gute Stück fragt. Der greift zum Telefon und ruft den Leiter des DFM in Fulda an, der zuerst an ein Märchen glaubt.

Der Kontakt zur 'alten Dame', Frau Dr. Marlis Zilken aus Köln, ist schnell hergestellt, und schon bald kann die offizielle Schenkung an das Museum unterzeichnet werden. Verständlicherweise will man mehr über die Firma, deren Entwicklung und Produkte in Erfahrung bringen. Dem Märchen folgt ein Krimi, nur dass anstelle des Kommissars der Museumsleiter mit seinem Team ermittelt. Derzeitiger Ermittlungsstand:

Die Firma muss bereits um 1900 aufgelöst worden sein. Nach dem momentanen Kenntnisstand kann ihre genaue Lage durch die dünne Aktenüberlieferung und massiven Zerstörungen der Stadt Koblenz im Zweiten Weltkrieg nicht einmal mehr exakt bestimmt werden. Wie üblich beginnt man mit der Sichtung der Sekundärliteratur. 1932 notiert Josef Eisenbach in einem Aufsatz zur Koblenzer Industrie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts:

"Eine weitere Fabrik [...] war die der Gebrüder Zilken auf dem Altengraben (Erstsitz Castorstr. Nro. 357, bzw. 10). Auch sie ist gänzlich verschwunden. Haupterzeugnisse dieser Firma waren Feuerspritzen und Pumpen. Neben der Maschinenfabrik hatte Zilken auch eine Metallgießerei, besonders für Gegenstände von Messing. Hier waren seinerzeit über 100 Personen beschäftigt. Der Betrieb, der in den Häuserkomplex eingezwängt war, konnte sich nicht ausdehnen, wurde daher von auswärtigen Fabriken überflügelt und dann vor einigen Jahrzehnten ganz aufgegeben."

Die Fabrik war offensichtlich bis zuletzt in Familienbesitz. Frau Dr. Zilken erinnert sich an Aussagen ihrer Eltern, die meinten, "dass die letzten Betreiber es wohl versäumt hätten, rechtzeitig mit der voranschreitenden Technik mitzuhalten und in neue Maschinen zu investieren." Wie so oft dürften die Gründe für das Scheitern vielschichtig gewesen sein.

In den gedruckten "Verhandlungen des Gewerbe-Vereins zu Coblenz, 1837" findet sich der Bericht über die Leistungsprobe. Mit Hilfe eines Lexikons zu historischen Maßen ist schnell ermittelt, dass das Hohlmaß der preußischen Quart 1,1449 heutigen Litern entspricht und der preußische Fuß 0,313 heutigen Metern. Umgerechnet hat das Modell in der Minute demnach 8 Liter gepumpt und 9,4 Meter hoch gespritzt.

Die im Stadtarchiv Koblenz zu den Gebr. Zilken überlieferten Nachrichten sind eher spärlich und beruhen überwiegend auf Anzeigen der Firma im "Coblenzer Anzeiger" (später "Coblenzer Zeitung"). Daraus erfahren wir, dass

Die letzte Nachricht findet sich am 6. Januar 1896 in der "Coblenzer Zeitung" mit einer Anzeige: "Lehrling gesucht. Maschinen-Fabrik Zilken."

Bei der Recherche im Internet ergibt sich zumindest ein Treffer: Unter http://www.tu-berlin.de/presse/125jahre/festschrift/reuleaux.htm ist eine biographische Notiz zu Franz Reuleaux (1829-1905) eingestellt, einem späteren Pionier in der Entwicklung des Otto-Motors, Förderer des Patentgesetzes, Jurymitglied/entstandter Reichskommissar auf diversen Weltausstellungen sowie ab 1890/91 Rektor der Technischen Hochschule Berlin: "Nach dem frühen Tod des Vaters 1833 zogen Mutter und Sohn nach Koblenz, wo Reuleaux eine praktische Ausbildung in der Eisengießerei und Maschinenfabrik Zilken erhielt."

In der hauseigenen, von Gerd Schrammen aufgebauten und bis heute betreuten Dokumentation zu erhaltenen Feuerlöschgeräten in Deutschland ist tatsächlich bis dato auch eine erhaltene Zilken-Spritze vertreten, die 1867 von der Gemeinde Elsoff im Westerwald beschaffte fahrbare Handdruckspritze mit der Fabrikationsnummer 1058. Die hohe Nummer muss nun nicht bedeuten, das die Gebr. Zilken in den bis dato knapp 40 Jahren seit ihrer Gründung 1058 Spritzen gebaut haben. Manche Hersteller haben alle produzierten Geräte, gleich welcher Art, durchlaufend numeriert, andere haben in der Numerierung eine Klassifizierung hinterlegt, wie z. B. denkbar eine voran gestellte "10" für Spritzen, "20" für Kanonenrohre, "30" für etc.

Ein Aufruf mit der Bitte um Meldung weiterer erhaltener Feuerlöschgeräten aus dem Hause Zilken in der einschlägigen Feuerwehrfachpresse verläuft mit einer einzigen Rückmeldung eher ernüchernd. Doch dafür liefert das Schreiben von Kamerad Hans Werner Nikolay (FF Buch-Mörz) nicht nur die Kopie von zwei historischen Konstruktionszeichnungen von insgesamt drei Spritzentypen der Firma Gebr. Zilken um 1850, sondern liefert Hinweise auf diverse Beschaffungsakten von weiteren Feuerspritzen im Landeshauptarchiv Koblenz, namentlich

Hanno Ritterbusch steuerte noch das Foto einer im Landesmuseum Koblenz (Festung Ehrenbreitstein) erhaltene Zilken-Spritze bei. Weitere Nachrecherchen in der Sammlung von Festschriften des DFM ergaben den wertvollen Tip auf eine - leider verschollene - Zilkenspritze der FF Gammertingen, deren Beschaffung sich von 1852 bis 1856 hingezogen hatte; wertvoll ist der Tip vor allen Dingen deswegen, weil als Nachweis in der Festschrift ein Aktenbestand über die Beschaffung von Feuerlöschgeräten im Staatsarchiv Sigmaringen benannt ist. Wohin wohl die nächste Dienstreise des Museumsleiters führen wird?

Imposanter Größenvergleich Modell - Original

Imposanter Größenvergleich Modell - Original

Doch zuerst durfte das DFM am 29. November 2006 die oben erwähnte Zilken-Spritze von der FF Elsoff-Mittelhofen für das DFM als Schenkung übernehmen. Besonders erfreulich: Die Kameraden der FF Elsoff-Mittelhofen hatten ihr Traditionsgerät zum 100-jährigen Jubiläum ihrer Wehr im Mai 2006 vorbildlich und unter weitestmöglicher Erhaltung der historischen Substanz restauriert. Mit der gegenübergestellten Präsentation von Ausstellungsmodell und realer Handdruckspritze ein- und desselben Herstellers kann das DFM zum wiederholten Mal seinen Besuchern ein neues und einzigartiges Highlight bieten. Ähnlich wie einst Eduard Zimmermann bei "Aktenzeichen XY-ungelöst" fragt das DFM abschließend:

Wer kann weitere Angaben zu der zuletzt am 6. Januar 1896 in der Coblenzer Zeitung mit einer Lehrstellenanzeige in Erscheinung getretenen Maschinen-Fabrik Zilken machen? Sachdienliche Hinweise, die zur Aufklärung des Falles beitragen, nimmt das DFM entgegen. Als Belohnung ist ein freier Eintritt mit der ganzen Familie ausgesetzt.

Diejenigen, die keine Hinweise beisteuern können, heißt das Museum zu den bekannten Konditionen herzlich willkommen.

Übersicht