Stolperstein für Jakob Sichel

Würzburger Feuerwehrleute übernehmen Stolperstein-Patenschaft für ihren jüdischen Kameraden und seine Angehörigen

Das kubische Objekt von etwa 10 cm Kantenlänge ist nicht im Museum zu betrachten, sondern es ist vor dem Anwesen Hofmeierstraße 9 in Würzburg bündig mit dem Asphalt in den Bürgersteig eingelassen. Der kleine Betonquader trägt auf seiner sichtbaren Oberseite eine Gedenktafel aus Messing:

Stolperstein für Jakob Sichel

Stolperstein für Jakob Sichel

Jakob Sichel war ein jüdischer Feuerwehrmann aus Würzburg. Dort gehörte er von 1918 bis zu seinem Ausschluss aus dem aktiven Dienst im Jahr 1934 als Sanitäter dem 2. Technischen Zug der 5. Kompanie an. 78 Jahre später wurde der an ihn erinnernde Stolperstein am Freitag, 9. November 2012 um 13.00 Uhr u. a. im Beisein von 12 Feuerwehrkameraden verlegt. Stadtbrandinspektor Klaus-Dieter Schulz brachte es in seiner kurzen Ansprache auf den Punkt: "Jakob Sichel ist heute in die Reihen seiner ehemaligen Feuerwehr zurückgekehrt."

Jakob Sichel bei seiner Verhaftung, November 1938 (Quelle: Staatsarchiv Würzburg)

Jakob Sichel bei seiner Verhaftung, November 1938 (Quelle: Staatsarchiv Würzburg)

Vor dem Vergessen bewahren!

Gunter Demnig, Jahrgang 1947, hatte das Projekt "Stolpersteine" bereits 1993 konzeptioniert. Die ersten, vier Jahre später erfolgten Verlegungen waren zwar immer noch nicht genehmigt, wurden jedoch nachträglich legalisiert. Demnigs Idee für diese besondere Form der Erinnerung fand von da an eine bis heute wachsende Anhängerschaft. Mittlerweile erinnern über 32.000 Stolpersteine an Opfer des NS Regimes, darunter über 350 in Würzburg. Dort besteht seit 2006 ein eigener "Arbeitskreis Stolpersteine" unter Leitung der Stadträtin Benita Stolz. Diese engagierte Gruppe Würzburger Bürger/-innen, darunter auch Vertreter/-innen der einzelnen Opfergruppen, koordiniert und organisiert nicht nur die Verlegungen sondern auch dazu passende Fachvorträge im unmittelbaren Vorfeld derselben, so z.B. zur Rolle der Studentenverbindungen, der Psychiatrie und der Medizin in der NS-Zeit. Für 2012 hatte man das Thema "Feuerwehr im Nationalsozialmus" ins Auge gefasst und sich ein Jahr zuvor an den DFV mit der Bitte um Vermittlung eines Referenten gewendet. Dieser vermittelte die Aufgabe an das Deutsche Feuerwehr-Museum in Fulda. Rasch war der Kontakt zwischen Museumsleiter Rolf Schamberger, Stadtbrandinspektor Klaus-Dieter Schulz von der Freiwilligen Feuerwehr und Branddirektor Harald Rehmann von der Berufsfeuerwehr Würzburg sowie Dr. Roland Demke von der Staatlichen Feuerwehrschule Würzburg hergestellt. Gemeinsam mit dem AK zogen alle an einem Strang und stellten ein Projekt von feuerwehrgeschichtlicher Signalwirkung auf die Beine.

Über 200 Gäste aus Vertretern unterschiedlichster Organisationen, darunter auch Dr. Josef Schuster, Mitglied des Zentralrats der Juden in Deutschland, hatten sich am Donnerstag, 8. November 2012, dem Vorabend der Verlegung in der Staatlichen Feuerwehrschule Würzburg zu einer würdevollen Gedenkveranstaltung eingefunden.

Die größte homogene Gruppe der Anwesenden stellten unübersehbar Würzburger Feuerwehrkameraden, deutlich erkennbar an ihren Uniformen. Und Letztere hatten auch die Patenschaft über die insgesamt drei Stolpersteine der Familie Sichel übernommen - die FF Würzburg für Jakob und seine Ehefrau Ella sowie die Staatliche Feuerwehrschule für die Schwiegermutter Sofie Sichel. Mit der Feuerwehrpatenschaft über diese Stolpersteine und dem feuerwehrgeschichtlichen Fachvortrag, den das Deutsche Feuerwehr-Museum dazu beitragen durfte, ist erstmals eines dieser prominenten Zeichen der Erinnerungskultur ausdrücklich einem Feuerwehrmann gewidmet.

Übergabe des Portraits

Übergabe des Portraits

Doch nicht nur das: Schamberger übergab am Ende seines Vortrages ein gerahmtes Porträt von Jakob Sichel als besonderes Geschenk seitens des DFM an Schulz und Rehmann. Auch wenn dieses bis dato einzig bekannte erhaltene Foto von Jakob Sichel auf die polizeiliche Aufnahme bei dessen Verhaftung im November 1938 basiert, so hatte dieses für Sichel sehr demütigende Ereignis posthum wenigstens die positive Nachwirkung, dass man seinem Namen wieder ein Gesicht geben konnte. Sein ernst und nachdenklich blickendes Gesicht findet nun auf der Hauptfeuerwache Würzburg gegenüber den Gedenktafeln für die in den beiden Weltkriegen gefallenen Feuerwehrkameraden einen würdigen Ehrenplatz. Das ist ein starkes und ermutigendes Signal, das damit von den Kameraden und Kameradinnen der Feuerwehr Würzburg ausgeht. Dazu kann man nur mit Respekt gratulieren und hoffen, dass dieses Beispiel möglichst viele Nachahmer findet.

Hans-Peter Kröger, Präsident des DFV, mahnt hierzu an: "Menschen, die in unseren Feuerwehren jahrelang Dienst für den Nächsten geleistet hatten, wurden deportiert, vertrieben und ermordet. Ihrer und ihrer Leistung wird auch in Zukunft gedacht werden - gegen das Vergessen!"

Das komplette Manuskript des Vortrags kann hier als PDF-Datei heruntergeladen werden.